Jutta Koether, f., Sternbergpress, 2015

Jutta Koether, f., Sternbergpress, 2015

Samtdecke

Ausstellung "Dinge, die", Pinacoteca, Wien, 2016. Foto: Thomas Ries


"Im Gegensatz zu Spiegeln verschluckt Samt das Licht ... Hat man die Sache, die Samt ist, ist das Verhältnis zur Stille geregelt. Ist das Verhältnis
zum Einfalten und Ausfalten, zum Drapieren geregelt."

Fragmente aus: Jutta Koether, „f“, Sternberg Press, 2015


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Samt ist ein Gewebe mit einem eingearbeiteten Fadenflor. In ein leinen- oder köperbindiges Grundgewebe wird ein weiteres Schuss- oder Kettfaden-System in Schlingen eingearbeitet, welche am Ende des Herstellungsprozesses aufgeschnitten werden und so auf der rechten Warenseite den charakteristischen Faserflor ergeben. Der Flor besitzt eine Strichrichtung, die bei der Verarbeitung beachtet werden muss; sie bewirkt, dass der Stoff mit dem Strich oder gegen den Strich Licht unterschiedlich reflektiert.
Samt ist ein charakteristischer Gewebetyp der Renaissance. Prunkgewänder, aber auch Elemente der Ausstattung und Gestaltung in der Architektur wie Wandbezüge und Vorhangdrappierungen waren aus Samt angefertigt. Ursprünglich wurde Samt aus Seide hergestellt, heute aus Baumwolle oder Chemieseide. Die Samtproduktion breitete sich von Italien über Frankreich, später dann in den Norden aus. Aus Manchester stammt z.B. der Cordsamt.

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Siehe: Über Gilles Deleuze, Die Falte. Leibniz und der Barock, deutsche Erstausgabe 1995

Deleuze beschreibt die Zeit des Barock als eine Entwicklung der Kunst von der Struktur (Renaissance) zur Kunst der Textur. Er wertet die "eroberte Autonomie" der "die Oberfläche überschwemmenden Falten der Kleidung" als einen Bruch mit dem Raum der Renaissance und der strukturalen Starrheit der Perspektive.
Falten sind "unscharfe Objekte", die als komplexe und zufällige Formen ununterscheidbare Zonen nicht nur verbildlichen, sondern auch verräumlichen. Der Raum, den die Falte be- bzw. umschreibt, lässt sich nicht mehr nach den Kategorien oben und unten, außen und innen klassifizieren. Vielmehr verschmelzen diese Gegensätze zu Übergängen in einem Raumkontinuum.
Deleuze entwirft das Bild eines zweigeschossigen Hauses, in dessen unterer Etage die Materie, in dessen oberer die Seele eingeschlossen ist. Den Unterschied zwischen dem Seelischen und Leiblichen markiert eine Falte, die ein Verhältnis reiner Äußerlichkeit und zugleich eine Verbindung beschreibt. "Die Falten in der Seele ähneln den Faltungen der Materie."
Mit Deleuze erscheint der Barock als ein Bewusstsein der Krise, das sich nicht in Relativismen verliert, als es sich vielmehr ein fragiles System der Perspektiven entwirft und damit eine Fülle von Anregungen für uns heute enthält. Der Barock erweist sich als Fundgrube für aktuelle Fragen.

implizieren, explizieren